Saadi, die Tür zur persischen Seele






Am Haupteingang der UNESCO, die das Jahr 1984 anläßlich des 800. Geburtstages von Saadi zu seinem Jahr erklärte, sind die folgenden Zeilen von ihm zu lesen:

bani âdam azâye yek peykarand
ke dar âfarinesh ze yek goharand
cho ozwi bedard âwarad ruzegâr
degar ozwhârâ namânad gharâr
to kaz mehnate digarân bighami
nashâyad ke nâmat nehand âdami


Die Kinder Adams sind aus einem Stoff gemacht,
als Glieder eines Leibs von Gott, dem Herrn, erdacht.
Sobald ein Leid geschieht nur einem dieser Glieder,
dann klingt sein Schmerz sogleich in ihnen allen wider .
Ein Mensch, den nicht die Not der Menschenbrüder rührt,
verdient nicht, daß er noch des Menschen Namen führt.


In Zeiten der Globalisierung sprechen wir von globalem Dorf und dürfen tagtäglich die Internationalisierung der Psychologie und der Psyche erleben. Dabei hat die Grausamkeit aus der Zeit des Imperialismus und der bis heute anhaltendende technologische Vorsprung des Westens für eine Situation gesorgt, in der der Rest der Welt dem Universalanspruch westlichem Wissenschaftsverständnis und Weltanschauung so gut wie nichts entgegen zu setzen hat. Eine unaufhaltsame kulturelle Verarmung greift vom Westen aus unter dem Deckmantel der Optimierung aller Lebensverhältnisse alle anderen Kulturen an, verändert nachhaltig das Wesen und die Psyche ihrer Mitglieder, um die Maximierung der Macht- und Wirtschaftsinteressen zu sichern. Die Triebkraft dieser Verarmung findet gerade in Deutschland oder besser gesagt in der deutschen Wirtschaft ihre Beheimatung. Ich spreche nicht von Demokratisierungsparolen anderer Länder sondern davon dass uns unbemerkt eine faschistische Psyche in der Demokratie überrollt hat und dass wir diesen Faschismus auch noch in andere Kulturen exportieren. Die Rede ist von komplexen Prozessen und postkolonialen Praktiken, die zur Abwertung und Zerstörung anderer Lebensformen und ihrer "Volksseelen" geführt haben und wegen ihrer Komplexität an dieser Stelle nicht diskutiert werden. Nur soviel, dass diese Grausamkeiten nur so stattfinden konnten, weil man eine psychische Trennlinie zwischen "bekannt" und "fremd" gezogen hat. Alles was bekannt war oder ist verdient Solidarität und das Fremde verdient jede Schandtat dieser Welt. Und ein Zitat eines Faschistozionisten möchte ich den Lesern an dieser Stelle nicht vorenthalten. Inwieweit pervertierte Bräuche und Lebensarten in allen Völkern Fuß gefaßt haben, belegt der Ausspruch eines Zionisten aus Frankreich nach dem Tagebuch Avakimoffs vom November 1936:

"Wenn man denkt, daß man das von uns eingerichtete System der Bestechung ausrotten kann, so irrt man sich sehr. Man soll dazu die Natur des Menschen verändern, sie auf eine solche Höhe erhöhen, daß der Mensch genug Kraft finden würde, um sich von den Gütern lossagen zu können, die wir ihm für seine Dienstleistungen geben. Wir haben den Menschen endgültig in der für uns günstigen Richtung verführt und es gibt keine Macht der Welt, die das, was wir im Laufe der Jahrhunderte gebaut haben, verändern kann... Vergessen Sie nicht, daß wir unsere Politik der Weltherrschaft auf dem aufbauen, daß wir in den Seelen unserer Feinde die niedrigsten Gefühle erwecken. Wir verderben ihre Moral... Sagen Sie selbst, was leichter ist: zur Verderbnis zu erziehen und zu zerstören oder hohe Ideale zu predigen und zu schaffen? Gewiß ist unsere Aufgabe leichter, und daher werden wir immer Sieger sein... Wenn Sie mit mir nicht einverstanden sind, desto schlimmer ist es für Sie..." (mehr zum Thema in "Geheimdienste und Propaganda" in der Rubrik Blickwinkel)

Dementsprechend nehme ich nur einen Punkt heraus, um die gezielte Pervertierung dieser Feinde der Menschheit zu verdeutlichen: Die Perversion der "Fremdheit"!

Das erste was einem Iraner in Deutschland auffällt, ist das ungewöhnliche "Fremdenbild" der Deutschen. Man versucht sich zunächst dieses Phänomen dadurch zu rechtfertigen, dass viele Deutsche sich wegen historischer Ereignisse etwas unnatürlich entwickelt haben. Doch dann kommt man schnell in eine Sackgasse, denn auch die Iraner haben nicht nur Blumen von Fremden erhalten und doch unterscheiden sie sich in diesem Punkt sehr von den Deutschen. Hier ziehe ich aus einer kulturvergleichenden Sicht das Fremdenbild von Saadi heran, denn dieses Bild unterscheidet sich gravierend von dem in Deutschland dominierenden Fremdenbild. Saadi widerspiegelt ein lang überliefertes Bild: Die Befreiung der Juden aus der babylonischen Gefangenschaft durch Kyros dem Großen im Jahr 539 v. Chr. sowie der respektvolle Umgang mit anderen religiösen Einstellungen in jener Zeit zeigen auf die ersten historischen Erfahrungen der Iraner mit Fremden hin. Durch die Vielvölkerstaatlichkeit hat sich der Kontakt mit Fremden zur alltäglichen Normalität entwickelt. Ein Wir-Gefühl gemeinsam mit jemand Fremden aufzubauen ohne ihn in seiner Lebensart zu assimilieren, gehörte und gehört zu Selbstverständlichkeiten der iranischen Kultur, ohne diese romantisieren zu wollen. Saadis Philosophie zeigt genau diesen respektvollen und offenen Umgang mit anderen Daseinsformen. Der Respekt anderen gegenüber ist jedoch in der tiefen Verbundenheit mit den eigenen Wurzeln verankert. So lässt sich das allgemeine Fremden-Bild im Iran annährend rekonstruieren. Fremdenfeindlichkeit, wie im westlichen Verständnis, ist ein kaum bekannter Begriff.

Heute steht Deutschland an einem weiteren Wendepunkt seiner Geschichte. Schafft dieses Land es nicht die Volkspsyche und die herrschende Kultur dahin zu verändern, dass das "Fremde" angenommen und auf eine Art und Weise integriert wird, die auf Toleranz und Fairnis basiert, wird in gar nicht mal so ferner Zukunft die deutsche Kultur für immer seine führende Rolle auf der Weltbühne abgeben und höchstwahrscheinlich mit einem sehr unappetitlichen Überlebenskampf beschäftigt sein. Das sollten sich auch die Wirtschaftsbosse hinter ihren langen Ohren schreiben. Ein Land zu beschützen heißt nicht nur den Halbgeheimbund Deutschland AG zu pflegen, sondern es auch kulturell weiterzuentwickeln und nicht Prozesse einer Unkultur zu begünstigen, die sogar in eine derart tolerante Volksseele wie die iranische braunes Gift einspritzen.

Nochmal: Das soll nicht heißen, dass die Iraner nur Gutes vom "Fremden" erlebt hätten und deshalb ein freundliches "Fremdenbild" besitzen. Ein Beispiel dafür, das im Alltagsbewusstsein der Menschen durch das Aufkommen der 1979 vom Westen installierten "fremden Mullahregime" im "Grünen Gürtel gegen den Kommunismus" das andere Fremdenbild prägen. Es ist aber auch die Art, wie der Islam im Jahre 640 n. Chr. in den Iran eingebrochen ist und hier sehen die Iraner, trotz ihres Bekenntnisses zum Islam, ihre historisch-kulturelle Identität beeinträchtigt. Diese gefühlte Beeinträchtigung ruft punktuelle Feindseligkeiten gegenüber den Arabismus bei vielen hervor. Was diesem jedoch eine iranische Prägung gibt, ist, dass die Skepsis oder gar feindseligen Einstellungen gegenüber Fremden sich nicht in Gewalttaten gegen diese umwandeln. Das hängt damit zusammen, dass dem "Schwachen" Leid zuzufügen gesellschaftlich mit starken negativen Assoziationen verbunden ist. Außerdem wird der Fremde häufig synonym gesetzt mit dem Gast, und der Gast ist der Geliebte Gottes. Aus diesem kulturellen Gut entsteht eine Bewegung, die bei der Begegnung mit den "Anderen" eine große Rolle spielt und sich in ihrer Volksseele festsetzt: Der Sufismus. Darin wird der Blick des Menschen vom Äußerlichen zum Innerlichen geleitet.Dementsprechend ist das äußere Erscheinungsbild des Menschen nicht das absolute Urteilskriterium .


Von diesem Geiste geleitet schenkt der Sufimeister Saadi der Welt seine Poesie.


Leider weiß man nicht viel über diesen großen Dichter. Sogar sein richtiger Name ist unbekannt. Einige behaupten Mosharrafoldin, andere Mosallaholdin, andere wiederum Abdollah usw… Was man mit Sicherheit über Sheikh Saadi sagen kann ist, dass er aus einer wohlhabenden sunnitischen Großfamilie stammt und vor ca. 780 Jahren in Shiraz geboren. Als Jugendlicher zog es ihn nach Baghdad, wo er Theologie und Sprachwissenschaften studierte. Er reiste einige Zeit in den verschiedenen Ländern von Afrika bis Indien herum, ging selbstverständlich auch zum Hadj und kam schliesslich zu seiner Geburtsstadt zurück. Seine Werke wurden schon zu seiner Lebenszeit sehr berühmt und er genoss bei den Machthabern stets ein hohes Ansehen. Er starb im hohen Alter und wurde in Shiraz begraben, der ein „Khanghah“ (Gebetsort von einem Sufiorden) gewesen sein soll.


Sein Sohn soll von den Kreuzrittern gefangen genommen worden und später von einem Bekannten ausgetauscht worden sein. Trotzdem ereilte ihn ein früher sehr früher Tod, was dem Sheikh sehr viel Kummer bereitete.


Zu den berühmtesten Persönlichkeiten, die der Sheikh zu seinen Lebzeiten traf gehört Sheikh Shahaboldin Sohrevardi, dessen Werke vor dem Zweiten Weltkrieg sich (auf Deutsch übersetzt) in der Berliner Staatsbibliothek befunden haben sollen. Dort soll auch Einstein seine Relativitätstheorie, sanft formuliert, abgeleitet haben. (Saadi gab selbst im Rahmen seiner Poesie bekannt: Wenn man das kleinste Teilchen zerteilt, findet man Licht->"zarre ra cho beshkafi Noor yabi")


Zwar erreicht ein Saadi an Tiefe (meiner bescheidenen Meinung nach) nicht die eines Hafez oder Molanas, doch seine sprachliche Gewandtheit und Raffinesse in der Einfachheit sucht bis heute ihres Gleichen. So einige haben den Stil von Saadi nachzuahmen versucht, doch jeder der es versucht hat, ist meiner Kenntnis nach gescheitert. Das Wort findet unter seinem Stift die schönst mögliche Form, die Erkenntnis wird auf dem kürzesten Wege erreicht und die Sinnesempfindungen sensibel erweckt. Und genau das Spiel mit den Gefühlen lässt uns erahnen, in wieweit ein Saadi der wahren „menschlichen“ Liebe verfallen war, die er jedoch nicht vergötterte:


gar mara bi to dar behesht barand
deedeh az deedanash bekhaham dookht
keen tscheneenam Khoday vade nakard
ke mara dar behesht bayad sookht.


Wenn ich ohne Dich ins Paradies gebracht werden sollte,
werde ich meinem Blick dessen Anblick verwehren.
zumal hatte G_tt so etwas nie versprochen,
dass ich im Paradies den Flammen übergeben werden könnte.


Am Ende möchte ich sein beliebtes Gedicht rezitieren und auch erwähnen, dass die deutsche Übersetzung dem Original weder im Klang, noch in der Semantik des Gedichtes gerecht werden und die Seele seiner Sprache leider nicht erfassen kann.


ey sareban, ahesteh ran, k-arame djanam meeravad
van del ke ba khod dashtam, ba delsetanam meeravad

mahmel bedar ey sarevan, tondi makon ba karevan
kaz eshghe an sarve ravan, gooyi ravanam meeravad

man mandeam mahdjoor az ou, beetschareh-o randjoor az ou
gooyi ke neeshi door az ou, dar ostekhanam meeravad

goftam be neyrango fosoon, penhan konam reeshe daroon
penhan nemeemanad ke khoon, bar astanam meeravad

ou meeravad daman keshan, man zahre tanhayee cheshan
deegar mapors az man neshan, kaz del neshanam meeravad

bogzasht yare sarkesham, bogzaasht eyshe nakhosham
tschon medjmari por atasham, k-az sar dokhanam meeravad

dar raftane jan az badan, gooyand har no-i sokhan
man khod be tschaschme kheeshtan, deedam ke janam meeravad

saadi foghan az daste ma, layegh nabood ey bivafa
taghat nemiaram Djafa, kar az faghanam meeravad



"He, Treiber, nicht so schnell! Mein Herz zerspringt vor Qual
und muß doch mit ihr gehn, mit ihr, die es mir stahl!

" Beschwör dich selbst! sprach ich zu mir. Verbirg die Wunde!
Doch meiner Tränen Flut gibt stündlich davon Kunde.

Verlassen hat sie mich, doch setzt sie fort die Pein
und stößt mir noch von fern den Dolch ins Herz hinein.

Unbeugsam, stolz, hat sie verschmäht mein Liebesflehen,
verbrennen läßt sie mich, in Wahnsinnsnacht vergehen.

Trotz allem, was sie mir versprach und wieder brach,
bleibt die Erinnerung an sie in mir doch wach.

"He, Treiber, dränge nicht zur Eile die Kamele,
daß aus dem Leib mir nicht die Liebe reißt die Seele !"

Du, Herzensräuberin, komm, komm zurück zu mir!
Zum Himmel hallt mein Ruf, dringt er denn nicht zu dir?

Fließ denn, mein Tränenstrom, ertränke die Kamele!
Umsonst, umsonst, umsonst! Fort zieht mit ihr die Seele.

Wie sich die Seele trennt vom Leib und ihm entschwebt,
wer weiß es wohl? - Doch ich, Sa'di, hab es erlebt!

Die Treulose ging fort, entfloh vor meinen Klagen,
nahm mit mein blutend Herz! Wie soll ich es ertragen ?